Ich habe schon öfters darüber geschrieben: Bauen strapaziert die Nerven aller Beteiligten, von Bauherrn, Handwerkern und Architekten gleichermaßen. Auch ausgeglichene Gemüter geraten irgendwann an einem Punkt, an dem die Nerven blank liegen.
Während Architekten und Handwerker dieser Zustand berufsbedingt desöfteren begegnet und mehr oder minder gelernt haben, mit emotionalen Stresszuständen umzugehen, trifft es den Bauherrn meist völlig unvorbereitet. Meistens baut man ja nur einmal im Leben (was irgendwie schade ist, denn beim zweitenmal wüsste man vieles besser).
Dabei beginnt alles in einem Stadium der Euphorie: Das Grundstück bzw. das Objekt ist gefunden und finanziert. Diese Phase ließe sich auch als “Traumphase” beschreiben: Alles scheint möglich, der eigenen Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, zumindest bis die Kostenschätzung des Planers die Wünsche mit der harten Realität konfrontiert.
Nicht nur die Kosten drücken aufs Gemüt, während der Bauphase macht dem Bauherrn der wachsende Entscheidungsdruck zu schaffen. In kürzester Zeit müssen von ihm sehr viele Entscheidungen getroffen werden. Selbst wer sich im Alltag mit Entscheidungen leicht tut, wird hier schnell an die eigenen Grenzen geführt.
Der Stress belastet das Verhältnis aller Beteiligten zueinander. Es wird nicht einfacher, wenn unvorhergesehene Ereignisse eintreten und die beste Vorbereitung und Zeitplanung über den Haufen wirft. Und wie immer, wenn Menschen zusammenarbeiten, werden Fehler gemacht. Am Ende überlebt kein noch so perfekt ausgearbeiteter Plan den Kontakt mit der Realität.
Entsprechend groß die Verzweiflung des Bauherrn, wenn er – den unverrückbaren Aus- und Einzugstermin vor Augen – über das Chaos der Baustelle stolpert und innerlich die lange Liste der Positionen durchgeht, die noch dringend abgearbeitet werden muss. Unmöglich kann das alles fertig werden! In dieser Phase ist psychologisches Feingefühl nötig, um die emotionalen Befindlichkeiten auszubalancieren und den Bauherrn zu beruhigen. Ein Bauherr der in dieser Phase hektisch mit Anwälten und Gutachtern telefoniert, sich mit DIN-Normen beschäftigt, um Handwerker zu belehren, oder wohlmeinende Experten aus dem Bekanntenkreis hinzuzieht, wird schnell selbst zum größten Hindernis des Baufortschritts. Am besten ergeht es immer noch Bauherrn, die sich dem Fatalismus ergeben (“dann schlafen wir halt im Zelt”).
Auch wenn die Nerven blank liegen, zur Panik gibt es nur selten wirklichen Anlass. Denn jeder der am Bau beschäftigt ist, glaubt fest an das Wunder der Improvisation. “Gäbe es die letzte Minute nicht, so würde niemals etwas fertig,” wusste schon der kluge Mark Twain. Die Handwerker unterwerfen sich den sklavischen Vorgaben des Bauleiters und Planers und legen Extraschichten ein, um das Unmögliche noch möglich zu machen. Allesamt Profis, die wissen, was zu tun ist.
Zum Einzugstermin schließlich blickt der Bauherr großzügig darüber hinweg, dass der Garten immer noch aussieht wie eine Mond-Landschaft nach einem Asteroiden-Einschlag, er ist glücklicherweise einfach zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt.
Bestehende Mängel werden peu à peu abgearbeitet, und nach wenigen Monaten in den eigenen vier Wänden ist der ganze Stress zumindest soweit vergessen, dass der Architekt bei der zufälligen Begegnung an der Fleischtheke im Supermarkt wieder freundlich(!) gegrüßt wird. Was bleibt ist das Gefühl, gemeinsam etwas sehr schwieriges geschafft zu haben. Würde er nochmal bauen, wüßte er: es könnte alles sehr viel entspannter ablaufen.